Achim von Arnim Mir ist zu licht zum Schlafen
Mir ist zu licht zum Schlafen, Der Tag bricht in die Nacht, Die Seele ruht im Hafen, Ich bin so froh verwacht.
Ich hauchte meine Seele Im ersten Kusse aus, Was ist’s, daß ich mich quäle, Ob sie auch fand ein Haus!
Sie hat es wohl gefunden Auf ihren Lippen schön, O welche sel’ge Stunden, Wie ist mir so geschehn!
Was soll ich nun noch sehen, Ach alles ist in ihr, Was fühlen, was erflehen, Es ward ja alles mir!
Ich habe was zu sinnen, Ich hab, was mich beglückt; In allen meinen Sinnen Bin ich von ihr entzückt.
(1810)
Clemens Brentano Der Spinnerin Nachtlied
Es sang vor langen Jahren Wohl auch die Nachtigall, Das war wohl süßer Schall, Da wir zusammen waren.
Ich sing’ und kann nicht weinen, Und spinne so allein Den Faden klar und rein Solang der Mond wird scheinen.
Da wir zusammen waren Da sang die Nachtigall, Nun mahnet mich ihr Schall Daß du von mir gefahren.
So oft der Mond mag scheinen, Denk’ ich wohl dein allein, Mein Herz ist klar und rein, Gott wolle uns vereinen.
Seit du von mir gefahren, Singt stets die Nachtigall, Ich denk’ bei ihrem Schall, Wie wir zusammen waren.
Gott wolle uns vereinen, Hier spinn’ ich so allein, Der Mond scheint klar und rein, Ich sing’ und möchte weinen.
(1818)
Clemens Brentano Geheime Liebe
Unbeglückt muß ich durchs Leben gehen, Meine Rechte sind nicht anerkannt; Aus der Liebe schönem Reich verbannt, Muß ich dennoch stets ihr Schönstes sehen!
Nicht die schwache Zunge darf’s gestehen, Nicht der Blick verstohlen zugesandt, Was sich eigen hat das Herz ernannt, Nicht im Seufzer darf’s der Brust entwehen!
Tröstung such’ ich bei der fremden Nacht, Wenn der leere lange Tag vergangen, Ihr vertrau’ ich mein geheim Verlangen;
Ist in Tränen meine Nacht durchwacht, Und der lange leere Tag kommt wieder, Still ins Herz steigt meine Liebe nieder.
(1814)
Clemens Brentano Wenn die Sonne weggegangen
Wenn die Sonne weggegangen, kömmt die Dunkelheit heran, Abendrot hat goldne Wangen, Und die Nacht hat Trauer an.
Seit die Liebe weggegangen, Bin ich nun ein Mohrenkind, Und die roten, frohen Wangen, Dunkel und verloren sind.
Dunkelheit muß tief verschweigen, Alles Wehe, alle Lust, Aber Mond und Sterne zeigen, Was ihr wohnet in der Brust.
Wenn die Lippen dir verschweigen Meines Herzens stille Glut, Müssen Blick und Tränen zeigen, wie die Liebe nimmer ruht.
(1803)
Adelbert von Chamisso Er, der Herrlichste
Er, der Herrlichste von allen,
So wie dort in blauer Tiefe,
Wandle, wandle deine Bahnen;
Höre nicht mein stilles Beten,
Nur die Würdigste von allen
Will mich freuen dann und weinen,
(1831)
Adalbert von Chamisso Lebe wohl
Wer sollte fragen: wie’s geschah?
Der erste Gruß, den ich dir bot,
Nun kam ich auch tagaus, tagein,
Wir haben uns die Hand gedrückt,
Dann kam der Herbst, der Winter gar,
Ich werde gehn ins fremde Land,
(1826)
Joseph von Eichendorff Abschied
O Täler weit, o Höhen,
Wenn es beginnt zu tagen,
Da steht im Wald geschrieben
Bald werd ich dich
verlassen,
(1810)
Joseph von Eichendorff An Luise
Ich wollt in Liedern oft dich preisen,
(1816)
Joseph von Eichendorff Das zerbrochene Ringlein
In einem kühlen Grunde Da geht ein Mühlenrad, Mein’ Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat.
Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein’n Ring dabei, Sie hat die Treu gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und gehn von Haus zu Haus.
Ich möcht als Reiter fliegen Wohl in die blut’ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht.
Hör ich das Mühlrad gehen: Ich weiß nicht, was ich will ‒ Ich möcht am liebsten sterben, Da wär’s auf einmal still.
(1813)
JOSEPH VON EICHENDORFF Der Blick
Schaust Du mich aus Deinen Augen
Könnte sie’s auch wörtlich sagen
Und ich seh’ des Himmels Quelle,
Und ich öffne still im
Herzen
(o.J.)
Joseph von Eichendorff Der letzte Gruß
Ich kam vom Walde hernieder, Da stand noch das alte Haus, Mein Liebchen, sie schaute wieder Wie sonst zum Fenster hinaus.
Sie hat einen andern genommen, Ich war draußen in Schlacht und Sieg. Nun ist alles anders gekommen, Ich wollt, ’s wär wieder erst Krieg.
Am Wege dort spielte ihr Kindlein, Das glich ihr recht auf ein Haar, Ich küßts auf sein rotes Mündlein: »Gott segne dich immerdar!«
Sie aber schaute erschrocken Noch lange Zeit nach mir hin, Und schüttelte sinnend die Locken Und wußte nicht, wer ich bin. –
Da droben hoch stand ich am Baume, Da rauschten die Wälder so sacht, Mein Waldhorn, das klang wie im Traume Hinüber die ganze Nacht.
Und als die Vögelein sangen Frühmorgens, sie weinte so sehr, Ich aber war weit schon gegangen, Nun sieht sie mich nimmermehr!
(1834)
Joseph von Eichendorff In Danzig
Dunkle Giebel, hohe Fenster, Türme tief aus Nebeln sehn, Bleiche Statuen wie Gespenster Lautlos an den Türen stehn.
Träumerisch der Mond drauf scheinet, Dem die Stadt gar wohl gefällt, Als läge zauberhaft versteinet Drunten eine Märchenwelt.
Ringsher durch das tiefe Lauschen, Über alle Häuser weit, Nur des Meeres fernes Rauschen – Wunderbare Einsamkeit!
Und der Türmer wie vor Jahren Singet ein uraltes Lied: Wolle Gott den Schiffer wahren, Der bei Nacht vorüberzieht!
(1842)
Joseph von Eichendorff Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht.
(1834)
Emanuel Geibel Der Mai ist gekommen
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zuhaus; wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt, so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.
Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt’! Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht? Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert.
Frisch auf drum, frisch auf drum im hellen Sonnenstrahl wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal. Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all; mein Herz ist wie ’ne Lerche und stimmet ein mit Schall.
Und abends im Städtlein, da kehr’ ich durstig ein: »Herr Wirt, eine Kanne, eine Kanne blanken Wein!« Ergreife die Fiedel, du lust’ger Spielmann du, von meinem Schatz das Liedel, das sing’ ich dazu.
Und find’ ich keine Herberg, so lieg’ ich zu Nacht wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht. Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach, es küsset in der Frühe das Morgenrot mich wach.
O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust! Da weht Gottes Odem so frisch in die Brust, da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: wie bist du doch so schön, du weite, weite Welt!
(1841)
Heinrich Heine Ein Jüngling liebt ein Mädchen
Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Die hat einen andern erwählt; Der andre liebt eine andre, Und hat sich mit dieser vermählt.
Das Mädchen heiratet aus Ärger Den ersten, besten Mann, Der ihr in den Weg gelaufen; Der Jüngling ist übel dran.
Es ist eine alte Geschichte, Doch bleibt sie immer neu; Und wem sie just passieret, Dem bricht das Herz entzwei.
(1822)
Heinrich Heine Ich steh auf des Berges Spitze
Ich steh auf des Berges Spitze,
Wenn ich eine Schwalbe wäre,
Wenn ich eine Nachtigall wäre,
Wenn ich ein Gimpel wäre,
(o.J.)
Nikolaus Lenau Dein Bild
Die Sonne sinkt, die Berge glühn,Und aus des Abends Rosen Seh’ ich so schön dein Bild mir blühn, So fern dem Hoffnungslosen.
Strahlt Hesperus dann hell und mild Am blauen Himmelsbogen, So hat mit ihm dein süßes Bild Die Sternenflur bezogen.
Im mondbeglänzten Laube spielt Der Abendwinde Säuseln; Wie freudig um dein zitternd Bild Des Baches Wellen kräuseln! –
Es braust der Wald, am Himmel ziehn Des Sturmes Donnerflüge, Da mal’ ich in die Wetter hin, O Mädchen, deine Züge.
Ich seh’ die Blitze trunkenhaft Um deine Züge schwanken, Wie meiner tiefen Leidenschaft Aufflammende Gedanken.
Vom Felsen stürzt die Gemse dort, Enteilet mit den Winden; So sprang von mir die Freude fort Und ist nicht mehr zu finden.
Da bin ich, weiß nicht selber wie, An einen Abgrund kommen, Der noch das Kind der Sonne nie In seinen Schoß genommen.
Ich aber seh’ aus seiner Nacht Dein Bild so hold mir blinken, Wie mir dein Antlitz nie gelacht; – Will’s mich hinunterwinken? –
(1832)
Nikolaus Lenau Einst und jetzt
»Möcht ich wieder in die Gegend, Wo ich einst so selig war, Wo ich lebte, wo ich träumte, Meiner Jugend schönstes Jahr.«
Also sehnt ich in der Ferne Nach der Heimat mich zurück, Wähnend, in der alten Gegend Finde sich das alte Glück
Endlich ward mir nun beschieden Wiederkehr ins traute Tal; Doch es ist dem Heimgekehrten Nicht zumut wie dazumal.
Wie man grüßet alte Freunde Grüß ich manchen lieben Ort; Doch im Herzen wird so schwer mir, Denn mein Liebstes ist ja fort.
Immer schleicht sich noch der Pfad hin Durch das dunkle Waldrevier; Doch er führt die Mutter abends Nimmermehr entgegen mir.
Mögen deine Grüße rauschen Vom Gestein, du trauten Bach; Doch der Freund ist mir verloren, Der in dein Gemurmel sprach.
Baum, wo sind die Nachtigallen, Die hier sangen einst so süß? Und wo, Wiese, deine Blumen, Die mir Rosa sinnend wies? –
Blumen fort und Nachtigallen Und das gute Mädchen auch! Meine Jugend fort mit ihnen; Alles wie ein Frühlingshauch!
(1832)
Eduard Mörike Aus: Peregrina
Ein Irrsal kam in die Mondscheingärten Einer einst heiligen Liebe. Schaudernd entdeckt ich verjährten Betrug. Und mit weinendem Blick, doch grausam, Hieß ich das schlanke, Zauberhafte Mädchen Ferne gehen von mir. Ach, ihre hohe Stirn, War gesenkt, denn sie liebte mich; Aber sie zog mit Schweigen Fort in die graue Welt hinaus.
Krank seitdem, Wund ist und wehe mein Herz. Nimmer wird es genesen!
Als ginge, luftgesponnen, ein Zauberfaden Von ihr zu mir, ein ängstig Band, So zieht es, zieht mich schmachtend ihr nach! – Wie? Wenn ich eines Tages auf meiner Schwelle Sie sitzen fände, wie einst, im Morgen-Zwielicht, Das Wanderbündel neben ihr, Und ihr Auge, treuherzig zu mir aufschauend, Sagte, da bin ich wieder Hergekommen aus weiter Welt!
(1824)
Eduard Mörike Erstes Liebeslied eines Mädchens
Was ist im Netze? Schau einmal! Aber ich bin bange; Greif ich einen süßen Aal? Greif ich eine Schlange?
Lieb ist blinde Fischerin; Sagt dem Kinde, Wo greifts hin?
Schon schnellt mirs in Händen! Ach Jammer! O Lust! Mit Schmiegen und Wenden Mir schlüpfts an die Brust.
Es beißt sich, o Wunder! Mir keck durch die Haut, Schießt’s Herze hinunter! O Liebe, mir graut!
Was tun, was beginnen? Das schaurige Ding, Es schnalzet da drinnen, Es legt sich im Ring.
Gift muß ich haben! Hier schleicht es herum, Tut wonniglich graben Und bringt mich noch um!
(1828)
Wilhelm Müller Erstarrung
Ich such’ im Schnee vergebens
Ich will den Boden küssen,
Wo find’ ich eine Blüte,
Soll denn kein Angedenken
Mein Herz ist wie
erfroren,
(1822)
Ludwig Rellstab Ständchen
Leise flehen meine Lieder Durch die Nacht zu dir; In den stillen Hain hernieder, Liebchen, komm zu mir!
Flüsternd schlanke Wipfel rauschen In des Mondes Licht, Des Verräters feindlich Lauschen Fürchte, Holde, nicht.
Hörst die Nachtigallen schlagen? Ach, sie flehen dich, Mit der süßen Töne Klagen Flehen sie für mich.
Sie verstehn des Busens Sehnen, Kennen Liebesschmerz, Rühren mit den Silbertönen Jedes weiche Herz.
Laß auch dir die Brust bewegen, Liebchen, höre mich. Bebend harr ich dir entgegen! Komm, beglücke mich!
(1827)
Ludwig Tieck Gefühl der Liebe
Trübe hing ein dichter Schleier Über Busch und Wald daher. Sagt, wo ist die Frühlingsfeier? Ist der Wald an Tönen leer?
Rührt kein Wind sich in den Zweigen, Treibt die Wolken übers Feld? – Dumpfes, ödes, totes Schweigen, Die Natur gefangen hält. –
Und mir ward im Busen bange, Denn kein Stimmlein sprach mich an, Seufzte tief und harrte lange, Klagte: Sonne, komm heran!
Aber dichter ward der Schatten, Wolken hingen tiefer ab, Dunkler schwärzten sich die Matten, Alles Feld ein enges Grab.
Durch den Nebel warf ich Blicke Wie man in die Ferne schaut, Alle kamen mir zurücke, Finsternis war vorgebaut.
Da warf ich mich weinend nieder, Wünscht’ im Unmut tot zu sein: Tot sind alle Lerchenlieder, Abgestorben Sonnenschein. –
Warum soll denn ich noch leben In der wüsten Dunkelheit, Hier wo Schrecken um mich weben, In mir selber Angst und Leid? –
Plötzlich war’s, wie wenn an Saiten, Abendwind vorüberschwebt Und in Harfentönen webt, Über Blumen hinzuschreiten,
An der fernsten fernsten Grenze Teilte sich die dunkle Nacht, Und ein Sonnenblick voll Pracht Wand sich durch die Nebelkränze.
Als ich kaum zu atmen wagte, Schoß der Strahl, ein goldner Pfeil, Schnell in glühendroter Eil Hin zum Orte, wo ich klagte.
Schreckenfroh sah ich den Schein, Kriegte Mut zu neuem Leben: Sollte das der Frühling sein? Könnt’ es doch wohl Freuden geben?
Da erglühten schon die Wogen, Funkeln ging auf grüner Flur, Morgenrot sprang kühn in Bogen, Glänzend, taumelnd die Natur.
Und die Waldung blieb nicht träge, Alle Vögel sprangen auf, Jubelten durch das Gehege, Jagten sich im muntern Lauf. –
In des Jauchzens Lust verloren Dacht’ ich nicht an Sterben mehr, Fühlte mich nun neugeboren In dem goldnen
Freudenmeer. Ach! sie ist mir endlich nahe, Nach der meine Sehnsucht rang, Seit ich ihre Augen sahe Fühl’ ich neuen Lebensdrang.
Alle Klagen sind verschwunden, Fort der Seufzer banger Schwarm, Mit der Liebe fest verbunden Ruh’ ich in des Glückes Arm. –
(1798)
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