Paul Boldt
Es sprang am Walde auf in panischem
Schrecke,
Im blinden Walde lauert an der
Strecke
Der Nebel liegt, ein Lava, auf den
Städten
Der Führer fühlt den Schlag der
Triebradkreise
(1914)
Joseph von Eichendorff In Danzig
Dunkle Giebel, hohe Fenster, Türme tief aus Nebeln sehn, Bleiche Statuen wie Gespenster Lautlos an den Türen stehn.
Träumerisch der Mond drauf scheinet, Dem die Stadt gar wohl gefällt, Als läge zauberhaft versteinet Drunten eine Märchenwelt.
Ringsher durch das tiefe Lauschen, Über alle Häuser weit, Nur des Meeres fernes Rauschen – Wunderbare Einsamkeit!
Und der Türmer wie vor Jahren Singet ein uraltes Lied: Wolle Gott den Schiffer wahren, Der bei Nacht vorüberzieht!
(1842)
Joseph von Eichendorff Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht.
(1834)
Gerrit Engelke Auf der Straßenbahn
Wie der Wagen durch die Kurve biegt,
Die Motore unterm Boden rattern,
Scharf vorüber an Laternen, Frauenmoden,
Der ganze Wagen, mit den Menschen drinnen,
Plötzlich schrillt
Der Stromgesang ist aus –
Weiter walzt der Wagen.
(1921)
Gerrit Engelke Ich will heraus aus dieser Stadt
Ich weiß, daß Berge auf mich warten, Voll Gotteinsamkeit –
Weiß, daß für mich ein Wind durch Wälder dringt, Den Ewig-Ton –
Fühle, daß nachts Wolken schwellen, In meine Träume –
Die Winterberge, meine Berge tönen – Ich will heraus aus dieser Zeit,
Hinweg von Märkten, Zimmern, Treppenstufen,
Bald hab ich diese Straßenwochen,
(1921)
Emanuel Geibel Der Mai ist gekommen
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zuhaus; wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt, so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.
Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt’! Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht? Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert.
Frisch auf drum, frisch auf drum im hellen Sonnenstrahl wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal. Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all; mein Herz ist wie ’ne Lerche und stimmet ein mit Schall.
Und abends im Städtlein, da kehr’ ich durstig ein: »Herr Wirt, eine Kanne, eine Kanne blanken Wein!« Ergreife die Fiedel, du lust’ger Spielmann du, von meinem Schatz das Liedel, das sing’ ich dazu.
Und find’ ich keine Herberg, so lieg’ ich zu Nacht wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht. Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach, es küsset in der Frühe das Morgenrot mich wach.
O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust! Da weht Gottes Odem so frisch in die Brust, da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: wie bist du doch so schön, du weite, weite Welt!
(1842)
Ernst wilhelm Lotz Aufbruch der Jugend
Die flammenden Gärten
des Sommers, Winde, tief und voll Samen,
Also zu neuen Tagen
erstarkt wir spannen die Arme,
Grell wehen die Fahnen,
wir haben uns heftig entschlossen,
Wir fegen die Macht und
stürzen die Throne der Alten,
Nun kommen die Scharen
Verbannter, sie strammen die Rücken,
Beglänzt von Morgen,
wir sind die verheißnen Erhellten,
(1917)
Alfred Wolfenstein Nacht in der Sommerfrische
Vor der verschlungnen Finsternis stöhnt Stöhnt mein Mund, Ich, an Lärmen unruhig gewöhnt, Starre suchend rund:
Berge, von Bäumen behaart, ruhn Schwarz wüst herein, Was ihre Straßen nun tun Äußert kein Schein, kein Schrein.
Aber ein wenig sich zu irrn Wünscht, wünscht mein Ohr! Schwänge nur eines Käfers Schwirrn Mir ein Auto vor.
Wäre nur ein Fenster drüben bewohnt, Doch im gewölbten Haus Nichts als Sterne und hohlen Mond — Halt ich nicht aus —
Halt ich nicht aus, meinem Schlaf allmächtig umstellt! Fremd, fremd und nah — Durch den See noch näher geschwellt, Liegt es lautlos da.
Aber glaubt mich nicht schwach, Daß ich, — soeben die Stadt noch gehaßt — Nun das Land flieh —: es ist nur die Nacht — Nur auf dich, diese Nacht, war ich nicht gefaßt
Wie du tot oder tausendfach unbekannt Mein schwarzes Bett umlangst, Nirgends durchbrochen von menschlicher Hand, Tötet mich die Angst.
(1914)
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