Annette von Droste-Hülshoff Der Knabe im Moor
O schaurig ist’s übers Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Heiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt, Wenn aus der Spalte es zischt und singt, O schaurig ist’s übers Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Fest hält die Fibel das zitternde Kind Und rennt als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind - Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstige Gräberknecht, Der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! Hinducket das Knäblein zage.
Vom Ufer starret Gestumpf hervor, Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor’, Die den Haspel dreht im Geröhre!
Voran, voran, nur immer im Lauf, Voran als woll’ es ihn holen; Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen Wie eine gespenstige Melodei; Das ist der Geigemann ungetreu Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlen!
Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh, da ruft die verdammte Margret: »Ho, ho, meine arme Seele!« Der Knabe springt wie ein wundes Reh, Wär’ nicht Schutzengel in seiner Näh’, Seine bleichenden Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwele.
Da mählich gründet der Boden sich, Und drüben, neben der Weide, Die Lampe flimmert so heimatlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief atmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirft er den scheuen Blick: Ja, im Geröhre war’s fürchterlich, O schaurig war’s in der Heide!
(1842)
Joseph von Eichendorff Abschied
O Täler weit, o Höhen,
Wenn es beginnt zu tagen,
Da steht im Wald geschrieben
Bald werd ich dich verlassen, Und mitten in dem Leben
(1810)
Heinrich August Hoffmann von Fallersleben Winter ade!
So hört doch, was die Lerche singt!
Was uns die liebe Lerche singt,
Emanuel Geibel Der Mai ist gekommen
Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus, da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zuhaus; wie die Wolken dort wandern am himmlischen Zelt, so steht auch mir der Sinn in die weite, weite Welt.
Herr Vater, Frau Mutter, daß Gott euch behüt’! Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht? Es gibt so manche Straße, da nimmer ich marschiert, es gibt so manchen Wein, den ich nimmer noch probiert.
Frisch auf drum, frisch auf drum im hellen Sonnenstrahl wohl über die Berge, wohl durch das tiefe Tal. Die Quellen erklingen, die Bäume rauschen all; mein Herz ist wie ’ne Lerche und stimmet ein mit Schall.
Und abends im Städtlein, da kehr’ ich durstig ein: »Herr Wirt, eine Kanne, eine Kanne blanken Wein!« Ergreife die Fiedel, du lust’ger Spielmann du, von meinem Schatz das Liedel, das sing’ ich dazu.
Und find’ ich keine Herberg, so lieg’ ich zu Nacht wohl unter blauem Himmel, die Sterne halten Wacht. Im Winde die Linde, die rauscht mich ein gemach, es küsset in der Frühe das Morgenrot mich wach.
O Wandern, o wandern, du freie Burschenlust! Da weht Gottes Odem so frisch in die Brust, da singet und jauchzet das Herz zum Himmelszelt: wie bist du doch so schön, du weite, weite Welt!
(1841)
Friedrich Hebbel Winterlandschaft
Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
(o.J.)
Georg Heym Mitte des Winters
Das Jahr geht zornig aus. Und kleine Tage Sind viel verstreut wie Hütten in den Winter. Und Nächte, ohne Leuchte, ohne Stunden, Und grauer Morgen ungewisse Bilder.
Sommerzeit. Herbstzeit, alles geht vorüber Und brauner Tod hat jede Frucht ergriffen. Und andere kalte Stauden sind im Dunkel Die wir nicht sahen von dem Dach der Schiffe.
Weglos ist jedes Leben. Und verworren Ein jeder Pfad. Und keiner weiß das Ende, Und wer das suchet, daß er einen fände, Der sieht ihn stumm, und schüttelnd leere Hände.
(o.J.)
Oskar Kanehl Sonnenuntergang
(1914)
Alfons Petzold Großstadtflucht
Die lauten Straßen haben mich verloren, Ich ließ mein Leid im grauen Mauerringe
(1913)
Ferdinand von Saar Novemberlied
Novembernebel füllen Mit feuchtem Grau das Tal, Als wollten sie verhüllen Die Erde kahl und fahl.
Mit seinem dunklen Saume Gespenstisch ragt der Wald, Daraus, so wie im Traume, Von fern die Axt erschallt.
Den Pfad mit kühlem Hauche Umwittert ödes Weh’, Verwaist am dorn’gen Strauche Bebt Hagebutt’ und Schleh’.
Wohin die Schritte streben, Versinkt der Fuß im Kot – Mühselig ist das Leben und traurig wie der Tod.
(o.J.)
Ernst Stadler Vorfrühling
In dieser Märznacht trat ich spät aus meinem Haus. Die Straßen waren aufgewühlt von Lenzgeruch und grünem Saatregen. Winde schlugen an. Durch die verstörte Häusersenkung ging ich weit hinaus Bis zu dem unbedeckten Wall und spürte: meinem Herzen schwoll ein neuer Takt entgegen.
In jedem Lufthauch war ein junges Werden ausgespannt. Ich lauschte, wie die starken Wirbel mir im Blute rollten. Schon dehnte sich bereitet Acker. In den Horizonten eingebrannt War schon die Bläue hoher Morgenstunden, die ins Weite führen sollten.
Die Schleusen knirschten. Abenteuer brach aus allen Fernen. Überm Kanal, den junge Ausfahrtwinde wellten, wuchsen helle Bahnen, In deren Licht ich trieb. Schicksal stand wartend in umwehten Sternen. In meinem Herzen lag ein Stürmen wie von aufgerollten Fahnen.
(o.J.)
Friedrich Leopold Graf zu Stolberg Der Felsenstrom
Unsterblicher Jüngling! Du strömest hervor Aus der Felsenkluft! Kein Sterblicher sah Die Wiege des Starken! Es hörte kein Ohr Das lallende Rieseln im werdenden Quell!
Wie bist du so schön In silbernen Locken! Wie bist du so furchtbar Im Donner der hallenden Felsen umher!
Dir zittert die Tanne! Du stürzest die Tanne Mit Wurzel und Haupt! Dich fliehen die Felsen! Du haschest die Felsen, Und wälzest sie spottend wie Kiesel dahin!
Dich kleidet die Sonne In Strahlen des Ruhms! Sie malet mit Farben des himmlischen Bogens Die schwebenden Wolken der stäubenden Flut.
Was eilst du hinab Zum grünlichen See? Ist dir nicht wohl beim näheren Himmel? Nicht wohl im hallenden Felsen? Nicht wohl im hangenden Eichengebüsch?
O eile nicht so Zum grünlichen See! Jüngling! du bist noch stark wie ein Gott! Frei wie ein Gott!
Zwar schmeichelt dir unten die ruhende Stille, Die bebende Wallung des schweigenden Sees, Bald silbern vom schwimmenden Monde, Bald golden und rot vom westlichen Strahl.
O Jüngling! was ist die seidene Ruhe, Was ist das Lächeln des freundlichen Mondes, Der Abendsonne Purpur und Gold, Dem, der in Banden der Knechtschaft sich fühlt?
Noch strömest du wild, Wie dein Herz gebeut! Dort unten herrschen oft ändernde Winde, Oft Stille des Todes im dienstbaren See!
O eile nicht so Zum grünlichen See! Jüngling! du bist noch stark wie ein Gott! Frei wie ein Gott!
(1776)
Friedrich leopold graf zu Stolberg Winterlied
Wenn ich einmal der Stadt entrinn, Wird mir so wohl in meinem Sinn, Ich grüße Himmel, Meer und Feld In meiner lieben Gotteswelt.
Ich sehe froh und frisch hinein, So glücklich wie ein Vögelein, Das aus dem engen Käfig fleucht, Und singend in die Lüfte steigt.
Auch sieht mich alles freundlich an, Im Schmuck des Winters angetan: Das Meer gepanzert, weiß und hart; Der krause Wald, der blinkend starrt.
Der lieben Sänger buntes Heer Hüpft auf den Ästen hin und her, Und sonnet sich am jungen Licht, Das durch die braunen Zweige bricht.
Hier keimt die zarte Saat empor, Und kucket aus dem Schnee hervor; Dort lockt des Tales weiches Moos Das junge Reh auf seinen Schoß.
Natur, du wirst mir nimmer alt In deiner wechselnden Gestalt! Natur, so hehr, so wunderbar, Und doch so traut, und doch so wahr!
(1776)
August Stramm Vorfrühling
Pralle Wolken jagen sich in Pfützen Aus frischen Leibesbrüchen schreien Halme Ströme Die Schatten stehn erschöpft. Auf kreischt die Luft Im Kreisen, weht und heult und wälzt sich Und Risse schlitzen jählings sich Und narben Am grauen Leib. Das Schweigen tappet schwer herab Und lastet! Da rollt das Licht sich auf Jäh gelb und springt Und Flecken spritzen – Verbleicht Und Pralle Wolken tummeln sich in Pfützen.
(1914)
Ernst Toller Wälder
Ihr Wälder fern an Horizonten schwingend, Vom abendlichen Hauche eingehüllt, Wie meine Sehnsucht friedlich euch erfüllt, Minuten Schmerz der Haft bezwingend.
Ich presse meine Stirne an die Eisensäulen, Die Hände rütteln ihre Unrast wund, Ich bin viel ärmer als ein armer Hund, Ich bin des angeschoßnen Tieres hilflos Heulen.
Ihr Buchenwälder, Dorne der Bedrückten, Ihr Kiefern, Melodie der Heimat, tröstet Leid, Wie wobet ihr geheimnisvoll um den beglückten
Knaben der fernen Landschaft wundersames Kleid . . . Wann werde ich, umarmt vorn tiefen Rauschen, Den hohen Psalmen eurer Seele lauschen?
(o.J.)
georg Trakl Im Winter
Der Acker leuchtet weiß und kalt. Der Himmel ist einsam und ungeheuer. Dohlen kreisen über dem Weiher Und Jäger steigen nieder vom Wald
Ein Schweigen in den schwarzen Wipfeln wohnt. Ein Feuerschein huscht aus den Hütten. Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten Und langsam steigt der graue Mond.
Ein Wild verblutet sanft am Rain Und Raben plätschern in blutigen Gossen. Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen. Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.
(1913)
Marie Luise Weissmann Der Gorilla
Er atmet ihre Schwüle längst nicht mehr, Doch lastet seinem Nacken immer noch der Traum der großen Seen Und läßt ihn tief zum Sand gebückt und schwer Im Takt zur Wiederkehr der Eisenstäbe gehn. Er möchte wohl der Glanz der Papageien sein, Das Duften der Reseden und der Walzerklang, Doch bricht kein Strahl den trüben Spiegel seines Auges ein:
Die Hand trägt still gefaltet den beträumten Gang Dem fremden Leuchten still und fremd vorbei. Manchmal, im Schrei, Der fernher trifft, fühlt er sich jäh dem Schlund Des Schlafes steil emporgereckt entragen Und knirschend seiner Stirne aufgewandtes Rund An steingewölbte Firmamente schlagen.
(1922)
Alfred Wolfenstein Nacht in der Sommerfrische
Vor der verschlungnen Finsternis stöhnt Stöhnt mein Mund, Ich, an Lärmen unruhig gewöhnt, Starre suchend rund:
Berge, von Bäumen behaart, ruhn Schwarz wüst herein, Was ihre Straßen nun tun Äußert kein Schein, kein Schrein.
Aber ein wenig sich zu irrn Wünscht, wünscht mein Ohr! Schwänge nur eines Käfers Schwirrn Mir ein Auto vor.
Wäre nur ein Fenster drüben bewohnt, Doch im gewölbten Haus Nichts als Sterne und hohlen Mond — Halt ich nicht aus —
Halt ich nicht aus, meinem Schlaf allmächtig umstellt! Fremd, fremd und nah — Durch den See noch näher geschwellt, Liegt es lautlos da.
Aber glaubt mich nicht schwach, Daß ich, — soeben die Stadt noch gehaßt — Nun das Land flieh —: es ist nur die Nacht — Nur auf dich, diese Nacht, war ich nicht gefaßt
Wie du tot oder tausendfach unbekannt Mein schwarzes Bett umlangst, Nirgends durchbrochen von menschlicher Hand, Tötet mich die Angst.
(1914)
Alfred Wolfenstein Natur
Unaufhaltsam schrumpft der Himmel, Wolken Kommen breit aus allen Horizonten, Fahle fremde Schattenkörper kalken Ihre Decke über den entsonnten.
Und die Erde, trübe abgeschnitten, Hat ein hoher Stern zu sein geendet .. Meine Augen, die es machtlos litten, Stehn von Zorn und Graue abgeblendet.
Wetter, werdend ohne meine Hände, Wie ein Schicksal ungewollt und wehe, Treibt mich nun zur Stadt und in die Wände, Deren stete Enge ich verstehe.
(1914)
Alfred wolfenstein See
Der See ist bleich und krank, so lange starrt er in das Licht Des blauen Gottes, das er spiegeln muß. Wer spiegelt sein Gesicht?
Der Sonne unaufhörlich donnernde Keule schlägt entzwei Die trocknen Ufer. Ihn verhärtet sie zu Blei.
So quält dich Himmel! Aber stürme …und es schwankt Das Bild der Übermacht und sinkt, dein wildes Wasser rankt
Sich göttlich selbst empor! die Woge schwillt Von sich! Und schleudert an die Wolken nun ihr Bild.
(1917)
Heinrich Zeise Waldfrieden
Mich lockt der Wald mit grünen Zweigen und streut sein Gold rings auf die Haine,
(o.J.) |
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