Joseph von Eichendorff In Danzig
Dunkle Giebel, hohe Fenster, Türme tief aus Nebeln sehn, Bleiche Statuen wie Gespenster Lautlos an den Türen stehn.
Träumerisch der Mond drauf scheinet, Dem die Stadt gar wohl gefällt, Als läge zauberhaft versteinet Drunten eine Märchenwelt.
Ringsher durch das tiefe Lauschen, Über alle Häuser weit, Nur des Meeres fernes Rauschen – Wunderbare Einsamkeit!
Und der Türmer wie vor Jahren Singet ein uraltes Lied: Wolle Gott den Schiffer wahren, Der bei Nacht vorüberzieht!
(1842)
Joseph von Eichendorff Mondnacht
Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt.
Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus.
(1837)
Joseph von Eichendorff Sehnsucht
Es schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hörte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab ich mir heimlich gedacht: Ach, wer da mitreisen könnte In der prächtigen Sommernacht!
Zwei junge Gesellen gingen Vorüber am Bergeshang, Ich hörte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschlüften, Wo die Wälder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Klüften Sich stürzen in die Waldesnacht.
Sie sangen von Marmorbildern, Von Gärten, die überm Gestein In dämmernden Lauben verwildern, Palästen im Mondenschein, Wo die Mädchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der prächtigen Sommernacht.
(1834)
Gerrit Engelke
Die Straße ist nun fast schon tot –
Die schwarze Schweigenacht hat sacht So sonderbar verrückt
Die Stadt ist traurigtot – als wenn sie unbewohnt – Zitternd, splitternd in den All-Orkanen –
Und wir selbst –? Doch treibt und treibt die Erdenschiffs-Maschine
(1921)
Andreas Gryphius Abend
Der schnelle Tag ist hin, die Nacht schwingt ihre Fahn Und führt die Sternen auf. Der Menschen müde Scharen Verlassen Feld und Werk; wo Tier’ und Vögel waren, Traurt itzt die Einsamkeit. Wie ist die Zeit vertan!
Der Port naht mehr und mehr sich zu der Glieder Kahn. Gleich wie dies Licht verfiel, so wird in wenig Jahren Ich, du, und was man hat und was man sieht, hinfahren. Dies Leben kömmt mir vor als eine Rennebahn.
Laß, höchster Gott, mich doch nicht auf dem Laufplatz gleiten, Laß mich nicht Ach, nicht Pracht, nicht Lust, nicht Angst verleiten! Dein ewig heller Glanz sei vor und neben mir!
Laß, wenn der müde Leib entschläft, die Seele wachen, Und wenn der letzte Tag wird mit mir Abend machen, So reiß mich aus dem Tal der Finsternis zu dir.
(1650)
Georg Philipp Harsdörffer Abendlied
Der Tag ist nun vergangen Mit seiner Sorgenlast, Die Nacht hat angefangen Und aller Arbeit Rast. Das Licht hat abgenommen Mit unsrer Lebenszeit; Wir sind nun näher kommen Der grauen Ewigkeit.
Wie wir zu Bette liegen, So liegen wir im Grab: Wie soll uns denn vergnügen Der Welt verlornes Hab? Indem wir schlaffen gehen, Wird uns der Tod gemein: Kein Mensch kann lang bestehen Es muß gestorben sein.
Wie wir die Kleider lassen, Bevor wir schlaffen ein, O bleibt uns gleichermaßen Nichts als der Leichenstein. Ein Leilach mich bedecket Hier und im Totengrab, Bis mich die Sonn erwecket Und Christi Richterstab.
Weh denen, welche sterben Ohn allen Vorbedacht: Sie können leicht verderben Dort in der Höllennacht. Ich muß, ich muß bekennen, Daß ich unrecht getan, Ich muß mich lässig nennen Auf schmaler Tugendbahn.
Ich will mich Gott befehlen, Der mich erlöset hat, Und mich um nichts nicht quälen: Er gibt mir seine Gnad. Das Gute zu vollbringen Ist mein Fleisch viel zu schwach; Ich will mich besser zwingen, Wenn ich leb’ und erwach.
(o.J.)
Max Herrmann-Neiße Nacht im Stadtpark
Ein schmales Mädchen ist sehr liebevoll
Zwei Männer flüstern einen finstern Plan,
(1914)
Georg Heym Abends
Es ist ganz dunkel. Und die Küsse fallen
(1912)
Georg Heym Die Nacht
Auf Schlangenhälsen die feurigen Sterne
Fenster schlagen mit Macht. Und die Mauern, die alten,
Aber die Menschen rennen, ohne zu wissen
Die Plätze sind rot und tot. Und riesige Monde
(1912)
Alfred Lichtenstein Die Dämmerung
Ein dicker Junge spielt mit einem Teich. Der Wind hat sich in einem Baum gefangen. Der Himmel sieht verbummelt aus und bleich, Als wäre ihm die Schminke ausgegangen.
Auf langen Krücken schief herabgebückt Und schwatzend kriechen auf dem Feld zwei Lahme. Ein blonder Dichter wird vielleicht verrückt. Ein Pferdchen stolpert über eine Dame.
An einem Fenster klebt ein fetter Mann. Ein Jüngling will ein weiches Weib besuchen. Ein grauer Clown zieht sich die Stiefel an. Ein Kinderwagen schreit und Hunde fluchen.
(1911)
Oskar Loerke Blauer Abend in Berlin
Der Himmel fließt in steinernen Kanälen; Denn zu Kanälen steilrecht ausgehauen Sind alle Straßen, voll vom Himmelblauen. Und Kuppeln gleichen Bojen, Schlote Pfählen
Im Wasser. Schwarze Essendämpfe schwelen Und sind wie Wasserpflanzen anzuschauen. Die Leben, die sich ganz am Grunde stauen, Beginnen sacht vom Himmel zu erzählen,
Gemengt, entwirrt nach blauen Melodien. Wie eines Wassers Bodensatz und Tand Regt sie des Wassers Wille und Verstand
Im Dünen, Kommen, Gehen, Gleiten, Ziehen. Die Menschen sind wie grober Sand Im linden Spiel der großen Wellenhand.
(1911)
Alfred Wolfenstein Nacht in der Sommerfrische
Vor der verschlungnen Finsternis stöhnt Stöhnt mein Mund, Ich, an Lärmen unruhig gewöhnt, Starre suchend rund:
Berge, von Bäumen behaart, ruhn Schwarz wüst herein, Was ihre Straßen nun tun Äußert kein Schein, kein Schrein.
Aber ein wenig sich zu irrn Wünscht, wünscht mein Ohr! Schwänge nur eines Käfers Schwirrn Mir ein Auto vor.
Wäre nur ein Fenster drüben bewohnt, Doch im gewölbten Haus Nichts als Sterne und hohlen Mond — Halt ich nicht aus —
Halt ich nicht aus, meinem Schlaf allmächtig umstellt! Fremd, fremd und nah — Durch den See noch näher geschwellt, Liegt es lautlos da.
Aber glaubt mich nicht schwach, Daß ich, — soeben die Stadt noch gehaßt — Nun das Land flieh —: es ist nur die Nacht — Nur auf dich, diese Nacht, war ich nicht gefaßt
Wie du tot oder tausendfach unbekannt Mein schwarzes Bett umlangst, Nirgends durchbrochen von menschlicher Hand, Tötet mich die Angst.
(1914)
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